Ein Interview mit Anh
In deinem Studiengang technische BWL (BA) ist kein Pflichtpraktikum vorgesehen. Wieso hast du dich trotzdem für ein Praktikum im Ausland entschieden?
Anh: In meinem Studiengang ist kein Pflichtpraktikum vorgesehen, das stimmt, aber trotzdem wollte ich eine Arbeitserfahrung machen, weil die ganzen Hiwi-Jobs und Werkstudentenjobs leider nicht immer als Berufserfahrung zählen. Da ich davor sowieso ein Auslandssemester in Südkorea absolviert habe, habe ich mir überlegt, gleich im Ausland zu bleiben und mir in Asien ein Praktikum zu suchen. Da bin ich dann zufälligerweise auf das Praktikum bei Bosch Rexroth gestoßen.
Warum hast du dich genau für diese Stelle entschieden?
Anh: Das Praktikum ist im Controlling-Bereich, was ein Vertiefungsfach von mir ist. Da ich neugierig war und immer in diesem Bereich arbeiten wollte, hat's gepasst. Ein großer Pluspunkt war natürlich auch, dass keine japanischen Sprachkenntnisse gebraucht wurden. Bei anderen Stellen war das anders.
Hast du dir deinen Aufenthalt selbst organisiert oder hast du dir von der Uni bzw. von anderen Organisationen Unterstützung geholt?
Anh: Ich habe mir das Praktikum selbst organisiert. Bei der Unterkunft wurde ich unterstützt, da die Wohnung von der Firma bereitgestellt wurde. Ansonsten habe ich alles selbst geplant.
Welche Grundvoraussetzungen sollte man im Controlling-Bereich in Japan mitbringen?
Anh: Also für den Bereich braucht man auf jeden Fall Toleranz und Offenheit für anderer Kulturen. Auch Flexibilität sowie Lernbereitschaft sind wichtig. Technik-Affinität wäre ebenfalls ein großer Vorteil. Der Job ist mit viel Stress verbunden, weil es viele Deadlines gibt, die genauestens einzuhalten sind. Und man muss fit sein am Computer: Ich musste zum Beispiel sehr viel mit Excel arbeiten.
Was war die schönste Erfahrung in Japan?
Anh: Natürlich das Reisen. Ich fand die japanische Kultur immer schon interessant. Berufsbezogen kann ich sagen, dass ich es echt gut fand, dass ich als Praktikantin viel Verantwortung hatte. Das war unerwartet, weil viele Praktika nicht solche Gelegenheiten anbieten. Ich habe dadurch viel lernen können und habe gemerkt, dass ich mit Controlling die richtige Entscheidung getroffen habe.
Was war deine größte Herausforderung?
Anh: Die größte Herausforderung war es, sich an die neue Kultur zu gewöhnen. Ebenso wie die Arbeitskultur in Japan und die Tatsache, dass ich kein Japanisch kann. Im Alltag war das ein wenig schwierig, wenn ich zum Beispiel einkaufen wollte oder mal Hilfe brauchte.
Als Studentin hat man meistens mehr Freizeit als eine Vollzeitmitarbeiterin in einem Unternehmen. Wie konntest du deine Freizeit mit deinem Praktikum vereinbaren?
Anh: Ich war in einem Industriegebiet eine Vollzeit-Praktikantin. Da kann man abends nicht viel machen, außer essen gehen oder in einer Bar was zu trinken. Und unter der Woche war ich immer bis 17 Uhr arbeiten. Dann bin ich heim, hab etwas gekocht und das wars eigentlich. Dafür sind wir immer am Wochenende mal nach Tokio oder Osaka geflogen und da war mehr los.
Wie war es für dich Vollzeit zu arbeiten?
Anh: Also ich fand es interessant, weil man einen geregelten Alltag hat und man muss sich nach der Arbeit keine Sorgen mehr machen, wie beispielsweise, noch das Lernen für Prüfungen. Bei einer Vollzeitbeschäftigung hat man seine geregelten Arbeitszeiten und man hat den Abend frei. Und das war als Abwechslung mal gut, einen freien Kopf zu haben und ohne schlechtes Gewissen Freizeit genießen zu können.
Wie war das Arbeitsklima?
Anh: Das Klima war echt gut, nur konnten nicht alle Japaner Englisch sprechen. Aber ich hatte Glück, weil in meiner Abteilung viele Japaner mit einer Auslandserfahrung arbeiteten. Dadurch konnten sie gut Englisch und waren auch um einiges offener und hilfsbereiter. Generell war das Arbeitsklima gut. Das Schöne war, dass wir immer viele Süßigkeiten hatten, weil jeder immer mal was mitgebracht hat, sei es eine Spezialität vom Urlaub oder einfach so. (lacht)
Wie war dein Arbeitsalltag?
Anh: Ich musste immer von 9 bis 17 Uhr arbeiten. Ich hatte eine Stunde Mittagspause. Was die Aufgaben betrifft, ist beim Controlling alles zeitabhängig. Wir mussten bis zum Monatsschluss warten, bis die Daten ausgewertet werden konnten, demnach war Anfang des Monats viel los und wir mussten Berichte erstellen. Das waren meine Hauptaufgaben. Es kam natürlich auch mal vor, dass der Chef kam und eine Präsentation wollte oder vorzeitig einen Bericht, aber das haben wir auch immer gut hinbekommen.
Wie unterscheiden sich die Arbeitsbedingungen in Japan mit Deutschland?
Anh: Die Arbeitsbedingungen unterscheiden sich um einiges. Es gibt in Japan beispielsweise keine Krankheitstage, die werden direkt vom Urlaub abgezogen. Daher durften wir nicht alle Urlaubstage verplanen, weil wir zur Sicherheit 3 Tage für Krankheitstage haben sollten. Dabei gibt es dort allgemein sehr wenig Urlaub.
Würdest du ein freiwilliges Praktikum empfehlen?
Anh: Ein freiwilliges Praktikum ist immer empfehlenswert, da Theorie und Praxis zwei verschiedene Aspekte sind. Was wir in der Uni lernen hilft, aber die Anwendung in der Praxis ist eindeutig wichtiger. Ein weiterer Vorteil wäre es, herauszufinden, ob die eigenen Berufsvorstellungen der Wahrheit entsprechen. Und das sieht man erst nach einer Arbeitserfahrung. Demnach würde ich es nochmal machen und plane daher bereits weitere Auslandsaufenthalte, weil ich neue Kulturen kennenlernen möchte und an meine Grenzen gehen will.
Welche Tipps hast du für zukünftige Praktikantinnen und Praktikanten?
Offenheit ist das A und O. Man darf sich zudem nicht einschüchtern lassen, auch nicht in Stress-Situation. Das ist eine einmalige Erfahrung, die sich immer lohnt. Daher immer am Ball dranbleiben.
Vielen Dank und viel Erfolg bei deiner Bachelorarbeit!
Falls ihr noch Fragen zum Thema "Auslandspraktikum" habt, könnt ihr euch an das Dezernat Internationales der Universität Stuttgart wenden. Das Dezernat vermittelt zwar selbst keine Praktika, steht aber bei der Planung beratend zur Seite und informiert über Finanzierungsmöglichkeiten wie zum Beispiel ERASMUS-Praktika: Dieses Programm der Europäischen Union unterstützt finanziell Fachpraktika im europäischen Ausland von drei (mindestens 91 Tage) bis zwölf Monaten. Eine gute Orientierung zum Thema Auslandspraktikum bietet auch die DAAD-Publikation Wege ins Auslandspraktikum. Worauf wartet ihr also noch? Es wird Zeit, die Welt zu erobern! :)
Feven
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